Adam Mickiewicz

1798 – 1855           Polen/Litauen

 

In Übersetzungen von:

Peter Cornelius

 

 

 

An Laura

 

1.

 

Kaum sah ich Dich, so fühlt’ ich Flammen sprühen;

Aus fremdem Auge schien mir’s traut entgegen,

Und heimlich Roth sah Deine Wang’ ich hegen

Gleich Rosen, wachgeküßt vom Tag, dem frühen.

 

Kaum hob Dein Sang an, fühlt’ ich Thränen glühen,

Und mir dein Lied, so tief das Herz erregen,

Als tönt ihm aus der Höhe Engelsegen,

Als sollt ihm alle Seligkeit erblühen.

 

O laß mich, Theure, Dir im Aug’ erkennen,

Ob Liebe ihre Macht an dir erprobet!

Und muß ich, wenn Geschick und Welt uns trennen,

 

Dich fliehn, von Gluthen hoffnungslos durchtobet:

Wer dich auch Braut hienieden möge nennen,

Im Himmel hat Dich Gott mir anverlobet.

 

2.

 

Nur mit mir selber kann ich Zwiesprach pflegen;

Jed’ Wort zu Andern macht mein Herz erweichen;

Vor Augen flammt es mir, die Wangen bkleichen;

Laut fragen Fremde meines Aussehn’s wegen,

 

Und tiefre Sorgen hör’ ich Freunde hegen.

Das quält bei tag mich; möcht ich vor den Streichen

Der Schmerzen in’s Asyl des Traums entweichen,

So seh’ ich Fieberbilder wirr sich regen.

 

Auf raff’ ich mich, und wandle, fest zu pressen

In’s Hirn die Gründe, mich gekränkt zu zeigen,

So tausendmal beschworen und vergessen;

 

Doch seh ich Dich, so wundert mich, wie eigen

Ich ruhig bin und eiskalt und gemessen,

Um dann auf’s Neu zu glühn, auf’s Neu zu schweigen.

 

3.

 

Kein höchster Schönheitszauber ist Dir eigen;

Dein Wort ist Schlicht und einfach deine Weise;

Doch fehlen nie Verehrer Deinem Kreise,

Die sich, wie einer Königin, Dir neigen.

 

Jüngst Abends klang im Saal Gespräch und Reigen;

Ich hörte Deinen Freundinnen zum Preise

Manch lautes Lob und zartes Scherzen leise;

Du kamst – da herrschte rings ein heil’ges Schweigen.

 

So wenn ein Festmahl ging zum Tanze über,

Wird’s mitten oft im Wirbeln, Drängen, Rennen

Auf einmal still, und Alles staunt darüber,

 

Und niemand weiß der Stille Grund zu nennen.

Der Dichter spricht: „Ein Engel fliegt vorüber!“

Ein Gast, den Alles ahnt, doch Wen’ge kennen.

 

 

An den Njemen

 

Njemen, mein Heimatstrom! Wo sind die Wellen,

Die einst das Kind genetzt, wenn’s Blumen pflückte,

In die der Jüngling dann, der glutberückte,

Getaucht an wild einsamen Waldesstellen?

 

Wo ist die Zeit, da Laura zum Gesellen

Den eignen Schatten wählte, bunt sich schmückte,

Wo ich ihr Bild, wenn’s mich im Strom entzückte,

Mit Tränen trübte tief aus Herzensquellen?

 

Njemen, mein Heimatstrom! Wo sind die Wogen?

Mit ihnen so viel Glück und sel’ges Wähnen?

Wohin ist meiner Kindheit Lust verflogen?

 

Wohin des Jünglings sturmbewegtes Sehnen?

Wo ist die Lieb’, die Freundschaft hingezogen?

Wenn alles schwand, was blieben dann die Tränen?

 

 

Begegnung im Haine

 

„Du bist es, und so spät?“ – „Bin irrgegangen

Im Wald beim trügerischen Mondenscheine.“ –

„Und hast du mein gedacht?“ – „Du weißt, das eine

hält einzig all mein Denken ja gefangen!“

 

„Gib deine Hand! Reich mir zum Kuß die Wangen!

Du bebst! Weshalb?“ – „So spät und so alleine

Schreckt mich der Wind und Uhuschrei im Haine;

Wir tun nicht recht – ich fühle solch ein Bangen!“

 

„Sieh meine Stirn, mein Aug’! Zeigt’ das Vergehen

Je solche Stirn, hat Angst so kühn wohl je geschaut?

Gott! Ist es Schuld, wenn wir beisammen stehen?

 

Ich sitze weit von dir, du hörst kaum einen Laut

Von mir in unserm Spiel; denn nur als Himmelsbraut

Darf ich dich, du mein ird’scher Engel, sehen.“

 

 

Die Frömmler schmähen uns

 

Die Frömmler schmähen uns; die Spötter fragen,

Wie wir, da wir so traulich uns gefunden,

Durch Jugendmut und Liebesdrang verbunden,

Die Zeit vertun mit Weinen, Seufzen, Zagen?

 

Ich kämpfe mit mir selbst, du willst verjagen

Die Hoffnung selbst, die lächelnd wohl auf Stunden

Die Fessel löst, mit der uns Gram umwunden;

Wir mißverstehn der eignen Herzen Schlagen.

 

Ist’s Weh, ist’s Wonne? Wo uns nichts darf trennen,

Am Hauch dir, Hand in Hand gepreßt, entbrennen,

Darf ich, Geliebte, darf ein Weh ich’s nennen?

 

Doch wenn die Wangen glühn von Tränenfluten,

Wenn Seufzer wehend mehren nur die Gluten,

Ist’s Wonne dann, wovon die Herzen bluten?

 

 

Morgen und Abend

 

Der Osten glüht im Morgensonnenscheine;

Im Westen muß des Mondes Glanz nun enden;

Der Rose Knospen sich zur Sonne wenden;

Das Veilchen steht im Tau, als ob es weine.

 

Ich grüße kniend Laura, die das feine

Goldhaar am Fenster teilt mit weißen Händen.

Sie fragt: Warum so terübe Blicke senden

Des Monds und Veilchens Antlitz, und das meine?

 

Am Abend tönt mein Lied, die Lust zu loben,

Wie nun der Mond in voller Pracht erglühe,

Wie sich das Veilchen taugestärkt erhoben,

 

Wie Laura schöner noch im Fenster blühe

Der Rose gleich, von Abendduft umwoben! –

Ich aber knie betrübt, wie in der Frühe.

 

 

Der Jäger

 

Den jungen Jäger sah wohl auf der Haide

Umher ich schweifen lang im Sonnenbrande,

Dann stand er lauschend still im Ufersande

Und seufzt: „Ich will sie sehen, eh ich scheide,

 

Und ihn, den ich nie sah!“ Im Jägerkleide

Sprengt eine schmucke Reit’rin nun zum Strande,

Und wendet rückwärts nach dem Haidelande,

Zum Jagdbegleiter wohl die Augen beide.

 

Der Jäger zittert; Kain’saugen messen

Den Weg, auf dem sich naht der Jagdbegleiter;

ich seh’ ihn krampfhaft seine Waffe pressen,

 

Dann als bereu’ er, wankt er bebend weiter,

Staubwolken nahn, er starrt, wie selbstvergessen,

Er zielt – die Wolken kommen – doch kein Reiter!

 

 

Resignation

 

Unselig ist, wen Liebe läßt verzagen,

Unsel’ger noch, wer Liebe nie erstrebet,

Doch am unseligsten, wer lieblos lebet

Und kann doch einst’ger Liebe nicht entsagen.

 

Will eitle Lust ihn weich in Fesseln schlagen,

Wehrt ihm Erinn’rung, die im Herzen bebet,

Und wenn ein Engel lächelnd vor ihm schwebet,

Wie dürft’ er auf so heil’ge Spur sich wagen?

 

Getheilt in Weltverachten und Bereuen,

Flieht er die Dirne, muß die Göttin meiden,

Der Lust entsagen, von der Hoffnung scheiden;

 

Sein Herz, das keine Blüthen mehr erfreuen,

Gleicht einem öden Opferhain der Heiden,

Den Götter flohen, den die Menschen meiden.

 

 

An ***

 

1.

 

Du  schaust mich an! Du seufzest! Weh’ Dir, wehe!

Kennst Du das Gift nicht in dem Aug’ der Schlangen?

Macht nicht ihr Athem Dir das Herz erbangen?

Flieh’! daß Dein Leben nicht in Reu’ vergehe!

 

So fromm noch blieb ich, daß ich Dir gestehe:

Du weckst in mir unheiliges Verlangen!

O flieh’, daß nicht von meinem Loos umfangen

Ich dich durch mein Verderben leiden sehe!

 

Ich lieb’ die Lust, doch kann ich stolz entsagen;

Du bist so jung – ich alt in jungem Leben;

Dein Platz ist, wo des Frohsinns Grazien schweben,

 

Der meine, wo Erinnrungsmale ragen.

Blüh’, junger Epheu, blüh’ hinauf um Reben!

Laß ab, zu grünen über Sarkophagen!

 

2.

 

Zum erstenmal kann froh ich Fesseln tragen;

Ich schau’ Dich an, doch ohne Herzenskranken,

Ich denke Dein, doch frei sind die Gedanken,

Ich liebe Dich, doch ohne Gram und Zagen.

 

Sonst mochte Selbstsucht mir statt Glück behagen;

Sonst brachte mir den jungen Sinn zum Wanken

Ein listig Wörtchen, weißen Arm’s Umranken,

Doch fühlt’ in Blüthen stets den Wurm ich nagen.

 

Selbst als ich jener Braut geweiht mein Leben,

Wie hat mich Gluth, wie Schmerz mich da verzehret,

Wie macht noch heut ihr Name bloß mich beben!

 

Du hast nur Glück und Frieden mir bescheeret!

Ich preise Gott, der Dich mir hat gegeben,

Und Dich, mein Lieb, die Gott mich preisen lehret.

 

3.

 

Mein Lieb! Ich zittre! Wonniglich umhegte

Uns höchste Liebeslust, doch ach! mir grauet,

Daß alles Glück in Thränen Dir zerthauet,

Dir, die schon jeder tiefste Schmerz bewegte.

 

Ist’s Deine Schuld, daß mich zu Lieb’ erregte,

Was Dir von Lippen lacht, vom Auge blauet,

Daß Du zu sehr der eignen Kraft vertrauet,

Daß Gott solch’ Glüh’n in unsre Seele legte?

 

Und sah’n wir Tage, Wochen nicht vergehen,

Umweht von Einsamkeit, der lockend süßen,

und kämpften, stolz, im Kampfe zu bestehen?

 

Nun knie’ ich weinend zu des Altars Füßen!

Nicht mag Verzeih’n ich meiner Schuld erflehen!

O lasse Gott nur Dich nicht dafür büßen!

 

 

Guten Morgen

 

Guten Morgen! – Halb in Edenhainen

Schwebt ihr Geist, und in den Lilienwangen

Blieb er halb zurück, wie Sonnenprangen

Zwischen Wolken und dem Blau, dem reinen.

 

Guten Morgen! – Strahlen durch die feinen

Seidnen Wimpern schon in’s Aug’ ihr drangen;

mücklein neckend auf dem Mund sich schwangen;

Guten Morgen! Lieb’ und Sonne scheinen!

 

Hatte Dir ersonnen süß’res Ständchen!

Doch Du schliefst so süß! Nun laß dich fragen:

Wachst du fröhlich auf und ohne Klagen?

 

Guten Morgen! Reich’ zum Kuß Dein Händchen!

Ich soll gehn? – So schlüpf in Dein Gewändchen!

Laß Dir draußen Guten Morgen sagen!

 

 

Gute Nacht

 

Gute Nacht! Nun laß die blauen Schwingen

sanft um Dich den Gott des Traumes schmiegen!

Gute Nacht! Die Thränen laß versiegen!

Gute Nacht! Laß Ruh’ den Schmerz bezwingen!

 

Gute Nacht! Laß noch im Ohr Dir klingen

Liebesworte, Dich in Schlaf zu wiegen.

Eh’ die Sinne ganz im Traum entfliegen,

Laß mein Bild den letzten Gruß Dir bringen!

 

Gute Nacht! Den Blick noch einmal wende!

Gib die Wange! Gute Nacht! Laß führen

Dich zu Bett! Gib noch zum Kuß die Hände!

 

Gute Nacht! Du fliehst? Du sperrst die Thüren?

Gute Nacht denn! geht doch, eh, wir’s spüren,

Sonst mit „Gute Nacht“ die Nacht zu Ende!

 

 

Guten Abend

 

Guten Abend! Schönster Gruß von allen!

Gute Nacht nicht, muß mein Aug’ dich meiden,

Guten Tag nicht, darf sich’s wieder weiden,

Will so schön, als „Guten Abend!“ schallen.

 

Wenn des Abends dunkle Schatten fallen,

Glüht Dir’s kühner in den Augen beiden,

Und so stumm Du sonst und so bescheiden,

Fühl’ ich freier Deinen Athem wallen.

 

„Guten Morgen!“ laß Beglückte scherzen,

Die der Tag vereint zu Lust und Plagen;

„Gute Nacht!“ verlösche mild die Kerzen,

 

Wenn der Lieb’ Entzücken hell darf tagen;

Aber heimlich still verliebte Herzen

Laß sich traulich „Guten Abend“ sagen!

 

Visite

 

Kaum tret ich ein und kann drei Wörtchen lallen,

So meldet sich Besuch, es tönt die Schelle;

und ging der Eine, folgt der andre schnelle,

Und sie muß knixen, freundlich thun mit Allen.

 

Wie gern mit Schlingen, Eisen, Gruben, Fallen

Hätt’ ich umzogen der Geliebten Schwelle,

Wie gern statt diesem Schnattern dem Gebelle

Des Cerberus gelauscht in Hades Hallen!

 

Verruchter Schwätzer! Die Minuten zähl’ ich

Wie Galgenkandidaten auf der Streue!

Da raspelt der sein Süßholz ab allmählich!

 

Doch endlich nimmt er Hut und Stock! O freue

Dich, mein gemartert Hert! Doch nein! o schmächlich!

Er setzt sich hin, fängt wieder an auf’s Neue!

 

 

An den Visitenmacher

 

Willst du ein lieber Gast sein? Laß dir raten:

Der Neuigkeiten Quell darf nie versiegen!

Sprich von Diners und Bällen, daß gestiegen

Das Korn, sprich von der Griechen Heldentaten!

 

Wenn sprechend andre im Salon sich nahten,

Such dich verbeugend ihnen anzuschmiegen!

Sind sie sich fern, beachte fromm verschwiegen,

Ob die Toiletten regelrecht geraten!

 

Was auch die Hausfrau sagt, nur lächeln, Bester!

Daß niemand über Unart sich beschwere!

Und sieht das Fräulein rechts und links die Quere,

 

Spielt mit der Uhr, so setz dich ja nicht fester!

Sag: Ich empfehl mich! Diener! Hab die Ehre!

Und komm bald wieder – über zwei Semester!

 

 

Abschied – An D. D.

 

Verschmähst du mich? So müßt’ ich dir entsagen?

Nie warst du mein! – Thust Du’s der Sitte wegen?

Du liebst ja Andre! – Fehlt’s an goldnem Regen?

Das störte sonst nicht unsres Glücks Behagen!

 

Und hat mein Herz Dir Gold nicht eingetragen,

Bracht’ ich Dir keinen edler’n Lohn entgegen,

Dir opfernd meines Lebens Glück und Segen?

Warum verschmähst du mich? Vergebnes Fragen!

 

Heut lernz’ ich neue Habsucht an Dir kennen:

Loblieder willst Du, willst von mir sie haben,

und weiter dann mein holdes Lieb Dich nennen.

 

Doch weiht’ ich Dir der keuschen muse Gaben,

Müßt’ ich vor ihr in ew’ger Scham entbrennen;

Dein Name sei in diesem Lied begraben.

 

 

Danaiden

 

Wohin, Ihr Schönen, ist die Zeit entschwunden,

Wo noch ein Veilchenstrauß, ein Büschlein Flieder,

Das man dem lieben Kind gesteckt ans Mieder,

Zwei Herzen schnell zu Lieb und Lust verbunden?

 

Heut ist es billig, doch wird „Preis geschunden!“

Wo Gold ich gab, verlangt man Liebeslieder,

Wo Lieb ich schenkte, will man Heirat wieder,

Und Geld, wo ich den Liederkranz gewunden.

 

In eurer Wünsche bodenlose Krüge,

Ihr Danaiden, goß ich Gold und Lieder;

Da fühlt’ ich tief; heut scheu ich Spott und Scherz nicht.

 

und ob ich heut auch noch Verlangen trüge

Nach euch, und gäbe Lied und Gold Euch wieder,

Wie einst, so gäb ich doch, wie einst, das Herz nicht!

 

 

Entschuldigung

 

Ich sang von Liebe in der Freunde Kreise;

Daß lobten Manche; Andre hört ich rügen:

Wie ist sein Lied doch voll von Selbstgenügen!

wie tönt’s in Lust und Schmerz dem eignen Preise!

 

Schon vorgerückt in seines Lebens Gleise,

Wie mag noch Liebestand sein Herz vergnügen!

warum nicht schwingt er sich zzu höh’ren Flügen?

Verlieh nur dazu Gott ihm Ton und Weise?

 

Hochherz’ge Tadler! Kühn schlug ich die Saiten

Und sang im Heldenton von Heldenzeiten;

Doch kaum begann ich, als der Schwarm verwehte

 

Und wie entsetzt entfloh; stumm ließ ich gleiten

Mein Saitenspiel, das ich zerschlug in Lethe.

So Gunst, so Kunst!

 

 

 

 

 

Krimsonette

 

 

Die Akkermanschen Steppen

 

Ich schwimm in eines Wiesenmeeres Breiten;

Der Wagen muß im Grünen fast versinken,

Den Blumenschaum von Graseswogen trinken,

An Riffen von Gestrüpp vorübergleiten.

 

Es dämmert; nirgends will ein Pfad mich leiten;

Die Sterne such ich, die dem Schiffer winken;

Sind’s Wolken dort? Ist’s, Abendstern, dein Blinken?

Der Dnjestr glänzt im Steppenmeer, dem weiten.

 

Wie still! Ich hör des Kranichzuges Rauschen

Hoch, wie nicht Falkenblick vermag zu dringen;

Ich hör den Käfer Blüt’ um Blüte tauschen,

 

Die Schlange sacht durchs dichte Gras sich schlingen,

Ach, aus der Heimat könnt’ ich hier erlauschen

Den Grus – doch weiter! keiner will mir klingen!

 

 

Meeresstille

Auf der Höhe von Tarkankut

 

Die Flagge regt sich spielend kaum im Winde;

Die Woge sachte nur den Busen hebt,

Wie eine Braut, die Wonnetraum umwebt,

Erwacht und seufzt und weiter träumt gelinde.

 

Am Mast erschlafft hängt Segel und Gewinde

Wie Fahnen nach der Schlacht; nur leis erbebt

Manchmal das Schiff; die Reisenden belebt

Gespräch und Scherz; es ruht das Schiffsgesinde.

 

O Meer, in deines Schoßes tiefsten Innern

Schläft der Polyp, wenn Sturm die Wogen türmt,

Und reckt die Arme, wenn die Lüfte blauen;

 

So hegst du, Seele, heimlichstes Erinnern

Gleich Hydern, auch entschlummernd, wenn es stürmt,

Tief schlagend nur ins frohe Herz die Klauen.

 

 

Fahrwind

 

Es rauscht das Meer, von Leben neu durchschauert;

Hell tönt des Bootsmanns Ruf: „Ans Werk, ihr Jungen!“

Zum Mastkorb hat sich klimmend aufgeschwungen

Der Bursch, drin bwie die Spinn im Netz er lauert.

 

Wind! Wind! Das Schiff reißt mürrisch sich vom Zügel,

Reckt bäumend sich empor, von Schaum umrungen,

Zerstampft die Wogen, himmelangeschwungen

Teilt’s Wind und Wolken, so, als hätt’ es Flügel.

 

Mein Geist tanzt mit dem Maste auf dem Meere;

Es schwillt die Seele, wie die Segel schwellen,

Ich jauchze laut in der Matrosen Singen;

 

Am Boden klammernd, wähn ich, es beseele

Mein Puls die Hast; nun ahn ich auf den Wellen,

Was heißt; ein Vogel sein und Flügel schwingen!

 

 

Sturm

 

Mast, Segel, Steuer barsten; Wogensausen

Verschlingt das Schrein, der Pumpe Unheilstöhnen;

Das letzte Tau entriß der Sturm mit Höhnen;

Die Sonne sank; das Hoffen wich dem Grausen.

 

Es heult der Sturm Triumph, die Wogen türmen

Sich haushoch, und es lenkt durch ihre Mitte

Der Todesengel hin zum Schiff die Schritte,

Einnn Krieger, morsche Mauern zu erstürmen.

 

Der liegt halbtot, der klagend am Verdecke,

Der spricht zum Freund in letzten Scheidegrüßen,

Der betet vor dem Tod, nicht Tod zu leiden.

 

Ein Reisender sitzt stumm in seiner Ecke

Und denkt: Wie muß Gebet den Tod versüßen,

Ja, nur ein Herz, von dem man hat zu scheiden.

 

 

Ansicht der Berge von den Keslow’schen Steppen

 

 

Der Pilger

 

Was wollte Allah mit dem Eisesmeere?

Hat Engeln er den Wolkenthron errichtet?

Ward von den bösen Genien aufgeschichtet

Der Damm, daß er die Fahrt den Sternen wehre?

 

Das glänzt, als ob Byzanz ein Brand verzehre!

Hat Allah, wenn die Nacht den Tag vernichtet,

Im Meer des Alls die Leuchte aufgerichtet,

Den Weg zu hellen, vor dem Weltenheere?

 

Mirza, sein Führer

 

Dort? Ich war dort. In Winters Nest von Eise

Sah Bach und Strom ich gierig Atzung schlingen;

Schnee war mein Atem; hoch ging meine Reise,

 

Wie Wolk’ und Adler selbst sie nicht vollbringen,

Wo in der Wiege summt der Donner leise

Und über mir nur noch die Sterne gingen!

 

Das ist der Tschtyrdagh!

 

Pilger

 

Ah! - - -

 

 

Baktschisaraj

 

Ihr, der Giragen weite, wüste Hallen

Mit dem zerstörten Stirnschmuck der Balkone!

Asyl der Liebe einst, beschirmt vom Throne,

Nun Schlangennest, drin Grillenrufe schallen.

 

Der Efeu durfte keck durchs Fenster wallen

Die Wand empor zu des Gewölbes Krone,

Und schrieb, daß er kraft seines Rechts hier wohne

Rings mit Belsazarzeichen hin: „Verfallen!“

 

Im Saale aus dem Marmorbrunn, dem runden,

Des Harems Springquell perlt noch klar und helle,

Als säng’ er weinend oft in Dämmrungsstunden:

 

Wohin ist Liebe, Glanz und Ruhm entschwunden?

Sie sollten währen, flüchtig ist die Welle;

Doch ach, sie schwanden, und es blieb die Quelle!

 

 

Baktschisaraj des Nachts

 

Aus den Moscheen kehren heim die Frommen;

Muezzinruf bebt durch die Luft, die weiche;

Aus rubuinrotem Dämmer kommt der bleiche

Nachtkönig mit dem Silberreif geschwommen.

 

Am Himmelsharem Stern’ auf Sterne kommen;

Tief einsam irrt durch die azurnen Reiche

Ein träumend Wölkchen, wie ein Schwan im Teiche,

Mit weißer Brust, von goldnem Schein umglommen.

 

Zypressen hier, Moscheen die Schatten recken,

Bergriesen dort, Dämonen gleich zu schauen,

Geschart um Luzifer, den Fürst der Schrecken,

 

Im Zelt der Finsternis; die Blitze blauen

Um ihre Stirn; dort mißt die öden Strecken

Zu Roß der Beduin, der Wüste Grauen.

 

 

Das Grab der Potocka

 

Im Land voll Lust und Lenz, o junge Rose,

Verblühtest du! Der Jungend Wonneleben

Ließ Faltern gleich, dich streifend im Entschweben,

Die Larven der Erinnrung dir im Schoße.

 

Wie mag der Sterne Heer, das uferlose,

Gen Polen hin so heller Glanz durchbeben?

Hat ihm den Glanz dein sehnend Aug’ gegeben,

Eh man es deckte mit dem Grabesmoose?

 

Hier, Polin, wird mein einsam Grabmal stehen

Und Freundeshand wirft mir die Handvoll Erde;

In Reisenden, die hier vorübergehen,

 

Weckt mich der Polen Sprache und Gebärde;

Das Lied des Dichters soll dein Grab umwehen,

Daß auch mein nahes Grab besungen werde.

 

 

Die Grabhügel des Harems

 

Mirza zum Pilger

 

Hier ruhn, die Allahs Hände zu sich nahmen,

Des Liebeweinbergs Trauben, kaum entsprossen,

Des Ostens Perlen, frühe schon umschlossen

Im Meer des Glücks von Sargers Muschelrahmen.

 

Im Hain, wo sie zur ewgen Ruhe kamen,

Ein Turban winkt, von starrem Licht umflossen,

Ein Banner für des Schattenheers Genossen;

Rings auf den Steinen Spur von Giaurennamen.

 

O Edenrosen! An der Reinheit Quelle

Nie durft’ euch des Ungläubgen Blick entweihen,

Streng barg die Sitte eure zarten Hüllen;

 

Nun wagt ein Fremdling sich auf diese Schwelle,

Von mir geführt; mög’s der Prophet verzeihen!

Ich sah mit Tränen sich sein Auge füllen!

 

 

Baydary

 

Dem Sturm die Zügel! meinem Roß die Sporen!

Daß Tal und Fels und Wald in Windesschnelle

Vorübergleiten wie im Strom die Welle,

Bis ich berauscht im Wirbel mich verloren.

 

Und jagt mein Auge wie in trüber Quelle

Tal, Fels und Wald, vom Zaubertraum beschworen.

 

Die Erde schläft, ich nicht; herabgesprungen

Bin ich zum Strand, die Woge naht, ich habe

Die Stirn geneigt, die Arme aufgeschwungen,

 

Daß sie den Geist mir ganz in Nacht begrabe,

Gleich einem Schiff, von Wirbelflut verschlungen,

In einen Hauch lang nur Vergessen labe.

 

 

Aluschta des Tags

 

Der Berg zieht weg des Nebelzelts Gardinen;

Die Flur läßt rauschend Morgenpsalme klingen;

Wie des Kalifen Betkranz sich entringen

Dem wehnden Wald Granaten und Rubinen.

 

Die Wiesen blühn, und schimmernd über ihnen

Ein fliegend Blütenheer von Schmetterlingen

Wiegt sich und webt in Regenbogenringen;

Heuschrecken schwärmen; summend naschen Bienen.

 

Die Woge braust und kocht, in Blitzesschnelle

Faßt sie den nackten Fels mit wildem Griffe,

Es glänzt ihr Schaum wie Tigeraugen helle,

 

Und unheilkündend springt sie auf zum Riffe;

Und über Tiefen webt die leichte Welle,

Den Zug der Schwäne spiegelnd und der Schiffe.

 

 

Aluschta des Nachts

 

Der Abendwind will Tagesglut verdrängen

Die Weltenlamp’ im Scheiden läßt die Zinken

Des Tschatyrdagh in Purpurglanz erblinken;

Der irre Pilger lauscht auf Waldesgängen.

 

Die Berge dunkeln; Nacht in Talesengen;

Die Bäche murmelnd fast in Traum versinken;

Die Lüfte schwelgend Wohlgerüche trinken,

Musik der Blüten, reich an Wonneklängen.

 

Wie ich in stiller Nacht des Schlafs genossen,

Weckt’ mich ein Meteor in grellem Schein;

Mit Gold sind Erd’ und Himmel übergossen.

 

Wie Odalisken wiegt in Träume ein

Die Nacht des Orients; wen Traum umschlossen,

Weckt sie mit Feuerblick zu neuem Kosen.

 

 

Tschatürdag

 

Mirza

 

Dir küßt der Muselman die Füße bebend,

Du Mast des Krimschiffs! Tschatyrdagh! Geweihter!

Du Minarett der Welt! Du Himmelsleiter,

Von irdschen Felsen in die Wolken strebend!

 

Du wachst am Himmelstor, den Schild erhebend,

Wie Gabriel, der hehre Gottesstreiter,

Hüllst in des Waldes Mantel dich, dir heiter

Goldblitze um den Wolkenturban webend.

 

Mag’s wintern, mag die Sonne Glut entzünden,

Ob Giauren, ob Heuschreckenschwärme toben,

O Tschatyrdagh, du ragst auf festen Gründen,

 

Ein Dolmetsch zwischen Erd’ und Himmel oben,

Und lauschst, hoch über Volk und Land erhoben,

Nur, was der Herr dem Weltall will verkünden.

 

 

Der Pilger

 

Ich seh zu Füßen herrlich Land sich breiten,

Zu Häupten Himmel, vor mir holde Schönen!

Und will mein Herz sich doch nicht hier gewöhnen,

Flieht in die Fern’ und in noch fernre Zeiten?

 

O Lust! Litauens Wälder zu durchschreiten,

Voll Melodien, wie hier sie nie ertönen.

O Lust, zu wandeln bei des Moorgrunds Dröhnen,

Statt zwischen goldnen Ananas zu gleiten.

 

Warum, o Heimweh, in mein Herz dich senken?=

Warum op Sehnsucht, machst du so mich zagen,

Um sie, die ich geliebt in Jugendtagen?

 

Der Heimat fern mußt’ ich die Schritte lenken,

Doch wenn nun meine Spuren dort ihr sagen,

Daß ich sie liebe, wird sie mein gedenken?

 

 

Weg über den Abgrund von Tschufut-Kale

 

Mirza

 

Nun bete! Los den Zaum! Die Blicke wende!

Hier muß dem Pferd der Reiter sich vertrauen.

Das wackre Tier! Es mißt der Tiefe Grauen,

Prüft mit dem Huf des Abgrunds Felsenrände.

 

Schau nicht hinab! Die Tiefe hat kein Ende,

Wie Kairos Brunnen, ohne Grund zu schauen;

Streck nicht die Hand aus, darfst dir’s nicht getrauen,

Denn keine Flügel haben deine Hände.

 

Selbst die Gedanken mußt du an dich halten!

Wirf nicht den Anker aus in solchen Schlünden,

Sonst mit dem Anker wird das Boot verschlungen.

 

Pilger

 

Und dennoch schaut’ ich – durch des Weltalls Spalten;

Doch was ich schaut’, im Tod nur kann ich’s künden,

Denn unaussprechlich ist es irdschen Zungen.

 

 

Berg Kikineis

 

Mirza

 

Siehst du den Himmel blauen tief im Schlunde?

Das ist das Meer! Siehst du die Wogen decken

Den Märchenvogel, siehst ihn riesig recken

Weithin die Federmasten in die Runde,

 

Daß er ein eisberg scheint auf blauem Grunde?

Wie eine Wolke! Meer und Landesstrecken

Hüllt sie in ihres Schattens nächtge Schrecken;

Siehst du den Flammenatem ihr im Munde?

 

Das ist der Blitz – doch still! Ich überspringe

Den Abgrund in des Rosses vollstem Feuer.

Du halt bereit den Sporn! die Peitsche schwinge!

 

Und schau da drüben jenes Felsgemäuer!

Glänzt dort mein Kolpak, dann sei guter Dinge!

Wenn nicht, ist’s dort für Menschen nicht geheuer.

 

 

Burgruinen von Balaklawa

 

O undankbare Krim! Im Schutt vergangen

Der Burgen Pracht, die Schmuck und Schutz dir gaben,

Wo nun nur Schlangen ihre Nester haben,

Und Raubgesellen, schlimmer noch als Schlangen

 

Inschrift und Wappen unzerstört noch prangen,

Doch das Geschlecht, das sie verherrlicht haben,

Liegt, von Vergessenheit umhüllt, begraben,

Gleich einem Wurm im Rebenblatt gefangen.

 

Hier schuf der Grieche edlen Schuck der Säulen,

Hier scheuchtenn Italiener den Mongolen,

Hier sangen Mekkapilger fromme Chöre;

 

Nun heben Geier nur den Flug und Eulen,

Gleich wie in pestverheerter Stadt aus hohlen

Turmluken wehn der Trauerfahnen Flöre.

 

 

Judah

 

Ich lieb an Judahs Fels gelehnt zu spähen,

Wie Wogen hier in dichter Schar sich bäumen

Und drängen, dort zu Silberschnee zerschäumen,

In tausend Regenbogen zu vergehen,

 

Sich aus der Tiefe heben sie zu sehen,

Wie sie gleich einem Walfischheer umsäumen

Den Strand, und wenn sie ebbend ihn dann räumen,

Mit Perlen und Korallen ihn besäen.

 

So, junger Dichter, wird vom Sturmesdrange

Der Leidenschaft dein Herz im Busen bange,

Du aber stimmst die Saiten zum Gesange,

 

Verklärst den Sturm zum Reigen edler Töne,

Und webst aus deinem Leid das Lied, das schöne,

Den Kranz, mit dem die Nachwelt einst dich kröne!